Sabine Krieg kennt die Welt des Retail Designs wie kaum eine andere. Sie arbeitete für Marken wie Louis Vuitton, Hugo Boss und Levi’s – aber auch für das Designunternehmen Vitra. Heute berät sie internationale Labels, ist Professorin für Retail Design und Dekan der Fachbereiche Architektur & Design an der Peter Behrens School of Arts. Im Gespräch mit Loek Wermenbol spricht sie über zeitloses Design, die Anziehungskraft der Leere – und warum nicht jeder Store ein digitales Spektakel sein muss.
“All together now” – gemeinsam für bessere Stores
Für Sabine beginnt alles mit Zusammenarbeit.
„Wir müssen aufhören zu glauben, dass wir alles alleine können. Oder schlimmer: dass wir es alleine besser können. Die Herausforderungen im Retail verlangen nach verschiedenen Perspektiven, Disziplinen – und Generationen.“
Das gilt auch fürs Store Design:
„Niemand ist allein verantwortlich für Licht, Duft, Digital, Customer Flow und Konzept. Nur gemeinsam entsteht ein stimmiges, mehrschichtiges Erlebnis.“
“Copy-paste? Funktioniert nicht mehr”
Viele Marken, sagt Sabine, klammern sich an Rezepte.
„Früher gab es so eine Art Checkliste: So baut man einen guten Store. Eins, zwei, drei – fertig. Das funktioniert heute nicht mehr.“
Marken müssen zurück zum Kern. Nicht kopieren, sondern entscheiden. Und dann: mit vollem Herzen umsetzen.
Als Beispiel nennt sie House of Rituals und zitiert Richard Lems aus einem aktuellen Podcast:
„Außen bombastisch, innen ruhig. Sie wissen genau, wer sie sind. Und das spürt man.“
“Ich liebe schönes Chaos – wenn es Sinn ergibt”
Auf die Frage nach einem Store, der sie zuletzt beeindruckt hat, kommt die Antwort sofort:
Dover Street Market in Paris.
„Ich habe mich gefragt: Sind sie noch so frisch wie früher? Die Antwort ist ja. Ihr Konzept von beautiful chaos ist kein Zufall – es funktioniert. Analog. Rau. Und gleichzeitig feinfühlig. Ohne unnötige Technik, aber voller Charakter.“
Auch das südkoreanische Label Songzio, mit neuem Flagship in Paris, fasziniert sie:
„Beton. Leere. Reine Materialien. Und dann – ein riesiger digitaler Screen. Aber er wirkt wie Kunst, nicht wie Werbung. Perfekt integriert. Subtil. Vielschichtig.“
Weniger Spektakel. Mehr Gefühl.
Sabine setzt auf Design, das Emotionen weckt.
„Erzähl nicht alles. Lass Raum. Lass Licht, Duft und Material sprechen. Retail Design soll nicht dirigieren – sondern aktivieren.“
Und die digitale Ebene?
„Sie darf da sein – aber unaufdringlich. Keine Screens als Fremdkörper, sondern Teil der Story. Vor allem junge Menschen durchschauen das Künstliche sofort. Sie wollen das Echte. Und das heißt manchmal: weniger ist mehr.“
“Design muss nicht schreien. Es darf auch flüstern.”
Von Seoul bis Tokio: Ruhe als Luxus
Inspiration findet Sabine oft in Asien – besonders in Japan.
„Ein Raum, der leer erscheint, aber innerlich alles in Bewegung setzt. Das ist es, was ich fühlen will. Kein Overload. Kein Druck. Sondern ein Raum, der deine Sinne weckt und deine eigene Interpretation zulässt.“
Auch ihre Sicht auf digitale Technologien folgt diesem Prinzip:
„Design darf sich nicht um Technologie drehen. Technologie soll das Erlebnis unterstützen.“
Und die Zukunft?
Für Sabine liegt die Zukunft des Handels nicht in Gleichförmigkeit – sondern in Vielfalt und Mut.
„Kund:innen wollen nicht in jeder Straße denselben Store sehen. Sie wollen überrascht werden. Entdecken. Aber auch interagieren – mit Menschen, mit Marken. Socio Retailing ist der nächste Schritt.“
“Der Kern? Sei anders. Sei du selbst. Und gib Menschen die Möglichkeit, mit deiner Marke in echten Austausch zu treten.”